www.r-krell.de
Webangebot für Schule und Unterricht, Software, Fotovoltaik und mehr

Willkommen/Übersicht > Mathematik >





Mathematik zur Corona-Pandemie


Die Corona-Pandemie ab Februar 2020 hatte deutliche Auswirkungen auf unser aller Alltag. Anfangs war Vieles unbekannt. Insbesondere war unklar, was auf die Menschen zukam oder zukommen könnte und wie man sich bestmöglich schützen sollte. Leider begünstigte die Unsicherheit auch abgedrehte Verschwörungstheorien. Ein Blick auf allgemeine Muster bei Ansteckungskrankheiten, wissenschaftliche Methodik und auch die Mathematik waren hingegen gefordert und hilfreich, um die Diskussion zu versachlichen.

Ich hatte daher seit März 2020 immer wieder meine Mathematik-Webseite um die mathematschen Hintergründe aktueller Bedrohungen oder Entwicklungen ergänzt (vgl. auch die älteren Monats-Ankündigungen auf meiner Seite "Was ist neu?"). Im April 2023 habe ich diese Beiträge dann von der Mathematik-Hauptseite entfernt werden und im Folgenden zusammengefasst. Es ergibt sich dadurch sogar eine Art Chronik der Pandemie.


Sie lesen hier (und finden dazu z.T. Tabellenarbeitsblätter, Links und weitere Materialien):


zum Seitenanfang / zum Seitenende

Corona-Krise
und exponentielle Ausbreitung


Zu Beginn - im Februar und März 2020 - ging es zunächst darum, ein Gespür für exponentielles Wachstum zu vermitteln, um die Dringlichkeit z.B. der AHA-Regeln (Abstandhalten, Hygiene und [Alltags-]-Maske) zu verstehen. Es wurde die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter verschiedenen Bedingungen modelliert, um die Zahl der zu erwartenden Covid-Kranken zu prognostizieren und so die Auswirkungen von Schutzmaßnahmen abzuschätzen.

Die Ausbreitung des Corona-Virus im Frühjahr 2020 sowie jeder neuen Mutante verläuft - wie praktisch alle Infektionen, aber auch viele andere Vorgänge aus Natur und Alltag - anfangs exponentiell, d.h. die Anzahl A der Infizierten zur Zeit t lässt sich mit einer Formel der Form A = A0 * b k t berechnen, wobei * das Multiplikationssymbol bzw. den Malpunkt darstellt, A0 die Anzahl der Infiziertem zu einem willkürlich gesetzten "Anfangs"-Zeitpunkt angibt, t die verstrichene Zeit seit diesem Anfang meint, b eine beliebige Basis > 1 ist (gerne werden b = 2, b = e=2,718... oder b = 10 gewählt) und k eine zur Basis und zur Ausbreitungsgeschwindigkeit passende, positive Konstante bezeichnet. Zwischen k und t könnte ebenfalls ein Malpunkt stehen: auch wenn er wie üblich weggelassen wird, werden die beiden Größen k und t miteinander multipliziert. Ihr Produkt ist der Exponent oben an der Basis b. Dabei ist die Bezeichnung Konstante für k insofern falsch, als sich k mit dem Infektionsgeschehen ändert und man ja durch die Einschränkung der Kontakte zwischen den Menschen, durch Impfungen usw. diese Zahl k verkleinern will, um die Ausbreitung zu verlangsamen. k ändert sich also und ist nicht dauerhaft konstant.

Erst, wenn ein nennenswerter Teil der Bevölkerung bereits durch früheren Kontakt und überstandene Krankheit oder eine Impfung immun geworden ist, also die Weitergabe des Virus weniger neue Infektionen auslöst, oder wenn durch Abstände, Masken, Hygiene und weitere Schutzmaßnahmen die Weitergabe des Virus weitgehend unterbunden wird, folgt die Ausbreitung nicht mehr dem exponentiellen Wachstum, sondern geht allmählich in eine Sättigung über (logistisches Wachstum).

Typisch für das um den 20. März 2020 gültige exponentielle Wachstum war, dass pro Tag nicht immer die gleiche Zahl von Neuinfizierten hinzu kam (also nicht jeden Tag beispielsweise +250 mehr), sondern die Zahl der Infizierten immer um den gleichen Faktor stieg, nämlich um etwa 25 % (d.h. für die Gesamtzahl At der am Tag t Infizierten gilt At = 1,25 * At-1 , wobei At-1 die Anzahl der Infizierten vom Vortag t-1 ist). Das bedeutet, zu 1000 Infizierten kamen am ersten Tag 250 Neuinfizierte dazu, weswegen es zu Beginn des zweiten Tages 1250 Virusträger gibt. Ein Viertel davon bedeutet einen Zuwachs um 313 Neuinfizierte im Laufe des zweiten Tages, sodass am Morgen des dritten Tages die Gesamtzahl der Infizierten schon 1563 betrug. Weil es jetzt insgesamt mehr Virusträger gibt, können diese auch noch mehr Leute anstecken, sodass einen Tag später die Gesamtzahl um rund 390 Neuinfizierte auf 1953 (also fast 2000) Infizierte stieg. Damals verdoppelte sich in die Zahl der Infizierten etwa alle drei Tage. Es war also dringend nötig, die Ansteckungswege zu unterbrechen!

Viele Leserinnen und Leser fühlen sich zu Recht an die alte "Reiskörner-auf Schachbrett"-Aufgabe oder eine Schulbuchaufgabe zur Seerosen-Ausbreitung erinnert. Deshalb waren wirksame Maßnahmen geboten. Eine Impfung gab es noch nicht und Masken warn nicht ausreichend verfügbar. Es gelang durch Schulschließung und Kontaktverbot, verordnete Mindestabstände u.ä. die Verdoppelungszeit in Deutschland von anfangs nur 2,8 Tagen auf 3,4 Tage zu verlängern (Stand 24.3.2020). Und Ende März/Anfang April 2020 betrug die Verdoppelungszeit sogar schon über 5 Tage!

Bevor ich nachfolgend verschiedene Wachstumsmodelle ausführe, hier einige damals gegebene Verweise auf fremde Webseiten zum Thema, die auch im April 2023 noch (in der damaligen Form) erreichbar sind:

In den beiden nachfolgenden Kapiteln werden die Wirksamkeit der Kontakt-Beschränkung und vier verschiedene Wachstumsmodelle (letztere gerade auch im Hinblick die Coronavirus-Ausbreitung) besprochen. Ich hatte damals auch aufgerufen, Rechenleistung für das rasche Finden eines Impfstoffs zur Verfügung zu stellen (vgl. letzter Absatz im Artikel "Größte bekannte Primzahl" auf meiner Mathematik-Hauptseite). Zum Glück wurden ja tatsächlich auch ohne diese Hilfe sehr schnell wirksame Impfstoffe gefunden.




zum Seitenanfang / zum Seitenende

Kontaktbeschränkungen sind äußerst wirksam


Eine Ende März 2020 zufällig gefundene Info-Grafik behauptet mit Zeichnungen von jeweils passend vielen menschlichen Silhouetten, dass bei ungehemmter Virusausbreitung ausgehend von einem (jedem) Virusträger binnen 30 Tagen 406 Infizierte entstehen. Eine Reduzierung der Kontakte um 50 Prozent halbiert diese Zahl nicht nur, sondern führt nur noch zu 15 Infizierten - einer beeindruckenden Verbesserung! Und eine Reduzierung der sozialen Kontakte um 75 % lässt binnen Monatsfrist die Anzahl der Angesteckten nur noch auf etwa insgesamt 2,6 Infizierte anwachsen - wird dort behauptet. Natürlich wollte ich nachprüfen, ob diese Behauptung korrekt ist - und konnte es mit einem Tabellen-Arbeitsblatt tatsächlich bestätigen:

Bildschirmansicht meines Tabellenarbeitsblatts "LebensrettenderAbstand.xls"

Das Arbeitsblatt (für MS Excel, Google Sheets, [Apache] OpenOffice Calc bzw. LibreOffice Calc, Planmaker [z.B. aus Softmaker FreeOffice], Gnumeric Portable, SeaTable oder für jedes andere Tabellenkalkulationsprogramm) ist hier herunter ladbar ("speichern") oder auch direkt zu öffnen:

Tabellenkalkulations-Arbeitsblatt LebensrettenderAbstand.xls (ca. 425 kB)

Im Alltag zu beachten ist allerdings, die Reduzierung der Kontakte richtig vorzunehmen: Wer sich bisher einmal pro Woche mit vier Freund(inn)en A, B, C, D zu fünft getroffen hat, und sich wegen der Beschränkung jetzt montags nur mit A, dienstags mit B, mittwochs mit C und donnerstags mit D jeweils zu einer Zweiergruppe mit wenig Abstand trifft, hat die Kontakte ja keineswegs reduziert: Er/Sie wirkt nach wie vor als Verbindungsglied von 5 Bekanntenkreisen, denn eine Infektion z.B. im Umfeld von C wird innerhalb einer oder zwei Wochen durch die Zweiertreffen nacheinander auch an alle anderen Freunde (und über diese wieder an deren Bekannte) weiter gegeben. Aber auch, wer verantwortungsbewusst kaum noch oder gar keine Freunde mehr trifft, reduziert die Kontakte nicht so stark, wie wahrgenommen, weil ja noch immer viele unbeabsichtigte, oft aber kaum vermeidbare Kontakte in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei der Arbeit, beim Einkaufen, bei nötigen Arztbesuchen usw. stattfinden. Hier hilft, nicht mehr alle ein bis zwei Tage, sondern nur noch 1 bis 2 mal pro Woche und in möglichst wenigen Geschäften einzukaufen. Die Info-Grafik zeigt jedenfalls deutlich, dass sich das verordnete social distancing extrem lohnt!

Und wer noch Argumente für die zusätzliche Benutzung eines Mund-Nase-Schutzes sucht, findet (auch ohne eigenes Konto bei diesen Diensten) anschauliche Argumente z.B. auf Twitter oder Facebook. Wobei die Maske natürlich immer auch die Nase verdecken muss!



zum Seitenanfang / zum Seitenende


Wachstumsmodelle


Nicht nur in der Corona-Krise sind mathematische Modelle gefragt, die die Ausbreitung von Krankheitserregern zutreffend beschreiben und vorhersagen können, damit man nötige Maßnahmen ergreift und sich auf Kommendes einigermaßen vorbereiten kann. Ich biete dafür ein Tabellenblatt an (im alten Excel-Format, das auch von neuen Tabellenkalkulations-Programmen verschiedenster Hersteller geöffnet werden kann). Die hellgrüne Kurve der täglichen Zuwächse ist die in letzter Zeit so oft gezeigte: entweder hoch und spitz oder etwas nach rechts verschoben, breiter und niedriger - hier zwischen dem 60. und 80. Tag:

Bildschirmansicht meines Tabellenarbeitsblatts "VierWachstumsmodelle.xls"

Durchgespielt sind vier grundlegende Wachstumstypen, wobei das logistische Wachstum die Krankheitsausbreitung am besten beschreibt. Auf einem eigenen Blatt in der Datei (zweiter Reiter der Arbeitsmappe) sind Erklärungen, Beispiele, die Beschränkungen der Modelle sowie Verbesserungsvorschläge genannt. Im dritten Blatt sind die vorgestellten Tabellen für Ihre eigenen Experimente und Ergänzungen frei gegeben. Achtung: obwohl die Ausbreitungsrate in den letzten Tagen weiter gefallen ist und am 29.3.2020 offenbar 'nur noch' bei f = 0,16 liegt, habe ich die gezeigten Graphen noch mit f = 0,25 berechnet (s.o.). Die Parameter können aber von Ihnen verändert werden, wenn Sie die Datei (herunter laden, also speichern und) öffnen:

Tabellenkalkulations-Arbeitsmappe VierWachstumsmodelle.xls (ca. 230 kB)

Wichtig: Die stärksten Zuwächse und schlimmsten Fall- und Todeszahlen kommen erst noch. Für Entwarnung oder Nachlassen im Ansteckungsschutz besteht auch in Deutschland überhaupt kein Anlass! (Stand 29.3.2020, siehe aber auch nächster Abschnitt. Als zweites Blatt der nachfolgenden Tabellen-Arbeitsmappe "FlacheNeuinfektionskurve" gibt es dort auch ein verbessertes Corona-Modell, das logistisches Wachstum nur mit den aktuell ansteckenden Infizierten statt mit allen simuliert).

Hinweis: Diese vier Wachstumsmodelle (linear, exponentiell, beschränkt und logistisch) werden auf meiner Informatikseite auch mit der Simulationssoftware Dynasys veranschaulicht, wodurch noch ein weiterer, experimentellerer Zugang ermöglicht wird. Die dort vorgestellte Modellierung kann ohne Weiteres (d.h. auch ohne Informatikkenntnisse) im Mathe-Unterricht vorgenommen und eingesetzt werden.





zum Seitenanfang / zum Seitenende


Neuinfektionskurve flach halten
um das Gesundheitssystem nicht überfordern

('flatten the curve')


Insbesondere zu Beginn der Schulschließung Mitte März 2020 und der eine Woche später verordneten Kontaktbeschränkungen wurden in den Medien Kurven der nachfolgenden Art gezeigt - allerdings ohne konkrete Werte auf den Achsen. Um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, sollte die Zahl der täglichen Neuinfektionen so stark gesenkt werden, dass auch die ca. 15 % schweren Fälle noch einen Krankenhausplatz und der noch geringere Anteil der Patienten, die Atemhilfe brauchen, ein freies Beatmungsgerät finden. Während bei ungehinderter Corona-Ausbreitung schon Ende April 2020 mit täglich bis zu einer halben Million Neuinfizierter gerechnet werden musste, haben die getroffenen Maßnahmen gegriffen. Die Gesamtzahl der Infizierten verdoppelt sich nicht mehr alle drei Tage (wie in der ersten Märzhälfte), sondern die Verdoppelungszeit betrug um den 9. April 2020 herum in Deutschland etwa 11 Tage. Der tägliche Zuwachsfaktor ist von über 25% (f=0,25) auf 6,5% (f=0,065) gesunken. Gerade weil die Maßnahmen so erfolgreich sind (s.o.: 'Kontaktbeschränkungen sind äußerst wirksam'), verschiebt sich die zu befürchtende Zuwachsspitze aber immer weiter nach hinten (und würde jetzt erst Mitte Juni 2020 mit dann fast 150.000 Neuinfizierten pro Tag zu erwarten sein). Die Zuwächse und Anzahlen sind im Moment (12.4.2020) noch so gering, dass viele schon gar nicht mehr an einen dramatischen Anstieg glauben, der ja früher mal für die Zeit um Ostern angekündigt wurde. Selbst Krankenhauspersonal und Ärzte, die mit viel Mühe Intensivbetten frei gemacht (und andere Operationen verschoben) haben, fragen sich, ob die Befürchtungen stimmen. Geht man - nach Harald Lesch (s.o) - davon aus, dass 40.000 bis max. 60.000 tägliche Neuinfizierte vom Gesundheitssystem verkraftet werden können (weil ja nur ein Teil stationär oder gar intensiv behandelt werden muss), bleiben im Moment noch mehr als die Hälfte der geschaffenen Plätze leer! Tatsächlich werden jetzt ja Patienten aus dem Ausland eingeflogen, weil es in Deutschland jetzt noch viel freie Kapazität gibt. Ende Juni 2020 könnten aber 2 von 3 Patienten nicht mehr angemessen behandelt werden.

Bildschirmansicht meines Tabellenarbeitsblatts "FlacheNeuinfektionskurve.xls"

Ob ein weiteres Absenken der Ansteckungsrate möglich ist, erscheint am 12. April 2020 allerdings fraglich: Jetzt in den Ostertagen 2020 wird offenbar die Kontaktbeschränkung doch von einigen nicht wirklich ernst genommen, und insgesamt tritt Müdigkeit ein - zumal auch die Nebenwirkungen der Einschränkungen immer deutlicher werden. In den Zahlen wird sich der Osterkontakt allerdings erst mit 5 bis 7 Tagen Verspätung bemerkbar machen. Geringere Ansteckung bedeutet leider automatisch auch längere Dauer der Corona-Ausbreitung!

Tabellenkalkulations-Arbeitsblatt FlacheNeuinfektionskurve.xls (560 kB) zum Herunterladen und Ausprobieren

Tatsächlich liegen dem verwendeten logistischen Wachstums-Modell einige vereinfachende Annahmen zu Grunde (die ausführlich unter dem zweiten Reiter der oben vorgestellten und ebenfalls zum Download angebotenen Tabelle VierWachstumsmodelle.xls genannt sind), sodass bei besserer Modellierung die Zahlen vielleicht doch nicht ganz so dramatisch, aber sicher nicht um Größenordnungen besser werden. Wenn demnächst mehr getestet wird, steigen zwar gegenüber meinen Angaben die bestätigten Werte von Anzahl und Zuwachs; die Zahl der behandlungsbedürftigen Patienten wird zum Glück nicht mit steigen: Die Patientenzahl ist ja auch jetzt sicher erfasst und gut bekannt. Der Prozentsatz bezogen auf die Menge der Positiv-Bestätigten wird bei mehr Tests und mehr Bestätigten abnehmen. Dann werden die Plätze eben für eine größere bestätigte Zahl Neuinfizierter (aber letztlich die gleiche Zahl tatsächlich Neuangesteckter) reichen.

Problematisch bleiben die Ausstiegsszenarien:

Die Rechnungen zeigen: Leider gibt es keinen Königsweg. Regierende können keine leichte oder gute Alternative wählen oder einen Weg finden, der uns gesund und froh macht, sondern haben höchstens die Auswahl zwischen verschiedenen immer sehr unangenehmen Szenarien.




zum Seitenanfang / zum Seitenende


Reproduktionszahl R (R-Wert)
und Sieben-Tage-Inzidenz

sowie (chronologisch) Beobachtungen und Anmerkungen während der Pandemie


Anfang Mai 2020 hatte sich gezeigt, dass die Kontaktbeschränkungen (trotz meiner oben noch vorgetragenen Skepsis zu Ostern) offenbar doch von vielen so gut eingehalten werden, dass sich die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland spürbar verlangsamt hat und täglich nur noch ca. 1000 durch positive Tests nachgewiesene Neuinfektionen oder sogar etwas weniger dazu kommen, obwohl schon wieder viele Geschäfte geöffnet haben und -- wenn auch mit Mund-Nasen-Schutz ("Alltagsmaske") und Abstand -- schon wieder viel mehr Aktivitäten möglich sind. Ab 11.5.2020 sollen auch weitere Lockerungen folgen, u.a. soll allmählich wieder Präsenz-Schulunterricht in kleinen Gruppen stattfinden (in Nordrhein-Westfalen hatten Q2-Schüler[innen] schon vorher 'Live'-Unterricht als letzte Abi-Vorbereitungen).

Wenn die Zahl der Neuinfektionen jetzt (d.h. im Mai 2020) schon mehrere Tage fast konstant ist, liegt natürlich kein exponentielles Wachstum mehr vor, sondern eher lineares Wachstum (vgl. die oben dargestellten Wachstumsmodelle). Entsprechend können und dürfen Kenngrößen des exponentiellen Wachstums, wie etwa die nur für exponentielles Anwachsen charakteristische Verdoppelungszeit, nicht mehr verwendet werden (ab Mitte April 2020 hatte man noch von Verdoppelungszeiten von 11, dann 30 und zuletzt von mehr als 60 Tagen gehört). Stattdessen wird inzwischen allgemein die Reproduktionszahl R herangezogen, die unabhängig vom Wachstumsmodell angibt, wie viele Gesunde ein Infizierter bzw. eine Infizierte im Mittel ansteckt. Die Zahl ist nicht neu; weiter oben im Abschnitt "Kontaktbeschränkungen sind äußerst wirksam" war sie bereits unter dem Namen Ansteckrate verwendet und angegeben worden.

Prinzipiell ist R leicht zu berechnen: Man muss eigentlich nur gucken, wie viele Neuinfizierte Nt heute (am Tag t) gemeldet werden, und wie viele Neuinfizierte Nt-5 fünf Tage früher angegeben wurden. Dann errechnet sich die heutige Reproduktionsrate Rt als Rt = Nt / Nt-5 . Der Teufel steckt wie immer im Detail:

Weil Politiker beim Lockerungswettlauf im Mai 2020 natürlich gerne aktuellere Werte haben wollten, versuchte das RKI durch Trendverlängerung, Schätzen und Vermutungen aus den errechneten Zahlen auf eine wahrscheinliche aktuelle Reproduktionsrate zu extrapolieren (NowCast-Verfahren). Das gelang aber nicht, sodass das Verfahren im Juni 2020 wieder aufgegeben wurde. Seither berechnet das RKI den Reproduktionsfaktor R einfach aus der Summe der Neuinfektionen der letzten 7 Tage, dividiert durch die 7-Tages-Summe von vier Tagen früher) (7-Tage-R-Wert).

Für den Muttertag 10.5.2020 wurde auf diese Weise schon für den zweiten Tag in Folge ein R von knapp über 1 angegeben (nach einigen Tagen mit erfreulichem R < 1). Wenn R aber über 1 liegt, beschleunigt sich das Wachstum wieder und die Pandemie wächst neuerlich exponentiell (wenn zunächst auch langsam, bald aber anschwellend). Auf einer (auch im April 2023 noch erreichbaren) Webseite von Zeit-Online findet sich eine interaktive Simulation, bei der man mit einem Schieberegler verschiedene Werte von R einstellen kann und die resultierende Anzahl der Infektiösen in den nächsten Monaten sehen kann. Dabei ist die Zahl der Infektiösen die Anzahl der in den jeweils letzten 4 bis 12 Tagen Neuinfizierten - also die Zahl, die auch auf dem Blatt 'Corona-Modell' meiner Tabellenkalkulation-Mappe "FlacheNeuinfektionskurve" jeweils in Spalte E als 'davon ansteckend' angegeben wurde). Selbst beim auf den ersten Blick recht harmlos erscheinenden R = 1,1 würde die Zahl der Ansteckenden allmählich immer stärker steigen und im April 2021 mehr als 200.000 Personen umfassen, wobei damit das Maximum noch gar nicht erreicht wäre. Davor hat unlängst die Bundeskanzlerin zu Recht gewarnt! Würden wir sogar wieder auf R = 2,5 kommen (wie in den ersten März-Wochen), wären schon Ende Juli/Anfang August 2020 fast 15 Millionen Kranke ansteckend und Gesundheitssystem und Gesellschaft brächen völlig zusammen.

Deshalb war es im Frühsommer 2020 wichtig, gerade jetzt wegen der eingeführten Lockerungen durch eher verstärktes Beachten von Mindestabständen und Hygieneregeln die Reproduktions- bzw. Ansteckungsrate klein zu halten. Wenn mehr Kontakte möglich sind, muss bei jedem einzelnen Kontakt die Übertragungswahrscheinlichkeit verringert werden. Es ist also kein Widerspruch, sondern tatsächlich bittere Notwendigkeit, wenn zu Beginn der Lockerungen für viele Bereiche die Maskenpflicht auferlegt wurde. Leider wurden diese Zusammenhänge nicht öffentlich erklärt oder ordentlich vermittelt; viele Menschen, und traurigerweise auch viele Politiker und Wirtschaftsvertreter, aber auch sehr viele Journalisten, sahen angesichts vorübergehend vergleichsweise niedriger Neuinfektionszahlen und geringer Auslastung der Krankenhäuser sowie durch zunehmendem Wegfall äußerer Beschränkungen offenbar auch Hygiene- und Abstandsgebot als überholt an: So quollen Politiker aus einem vollbesetzten Aufzug, bevor sie für die Kameras einen Mundschutz aufsetzen. Die andauernde Bedrohung wurde verkannt und verharmlost und der Glaube genähert, die Pandemie wäre im Herbst 2020 vermutlich schon vorbei. Unser Individualismus und Egozentrismus führt ohne Wissen und Einsicht zu Anti-Corona-Demos und vielfach hörte man Ähnliches wie die auf drlima.net karikierten Meinungen und Ansichten. Deshalb hatte ich an dieser Stelle erklärt: äußere Lockerungen müssen durch verstärkten Ansteckungsschutz kompensiert werden, wenn die Pandemie beherrschbar bleiben soll.

Hier zeigt sich das Dilemma der augenblicklichen Situation (geschrieben Anfang Mai 2020). Bei kleinem R kann in absehbarer Zeit keine Herdenimmunität erreicht werden. Und eigentlich will niemand in den nächsten 2 bis 3 Jahren mit Mundschutz rumlaufen, immer Abstand halten und seine Kontakte weiterhin so stark einschränken. Andererseits ist das bis zum Finden einer wirksamen Therapie oder Entwicklung eines nachhaltigen Impfschutzes vermutlich unumgänglich. Bei einem R deutlich unter 1 könnte zwar die Krankheit bei uns vorübergehend zum Stillstand kommen und das könnte für kurze Zeit ein fast normales Leben wie früher erlauben; jede unerkannte oder eingeschleppte Infektion wird aber zu einem erneuten Ausbruch und Aufflammen exponentiellen Wachstums führen - insbesondere, wenn die Lage nicht mehr als bedrohlich wahrgenommen wird und Vorsicht unterbleibt. Bei der Spanischen Grippe ab 1918 sind erst in der zweiten und dritten Welle, über ein Jahr nach dem ersten Ausbruch und nachdem man die Krankheit schon fast für besiegt gehalten hat, die meisten Menschen gestorben - mehr, als es Gefallene und Tote im Ersten Weltkrieg gab!

Offenbar wird ab Sommer 2020 angestrebt, äußere Verbote zwar weiterhin zu lockern und allgemein mehr Wirtschafts-, Schul-, Sport- und Freizeitbetrieb zu ermöglichen, dabei aber das Infektionsgeschehen genau zu beobachten, um bei punktuell erhöhter Ansteckung sofort lokal zu reagieren, um ein Weitertragen des Virus zu verhindern. Dies setzt aber voraus, dass nach wie vor die Reisetätigkeit beschränkt bleibt, damit ein Wiederaufflammen nicht schon in andere Gegenden exportiert wurde, bevor der Ausbruch erkannt wird. Ggf. sollen "Infektionsketten verfolgt" werden, was bedeutet, dass die Bewegungen der Menschen nachvollzogen werden müssen. Ob das alle Gesundheitsämter schaffen, ohne oder vielleicht demnächst auch mit Corona-App, kann angezweifelt werden. In Frankreich sollen etwa die Departements als grün (wenige Infektiöse) und rot (zuviele Fälle) gekennzeichnet werden. Dann will man Fahrten und auch Urlaubs-Reisen aus grünen in andere grüne Gebiete erlauben und nur Ein- und Ausreisen in/aus roten Gebieten beschränken. Wie das überwacht bzw. umgesetzt werden soll, ist noch unbekannt. Frankreich sieht die Idee aber als Modell für die ganze EU.

Auch die in Deutschland im April/Mai 2020 vereinbarte willkürliche Grenze von 50 Neuinfektionen innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz), deren Überschreiten Städte und Kreise zur Wiedereinführung schärferer Maßnahmen zwingen soll, ist problematisch: Einmal schafft eine solche Grenze keinen Anreiz für eine flächendeckende Testung der Bewohner - im Gegenteil: da mit einer Dunkelziffer (anfangs bis zum Zehnfachen der bestätigten Fälle) gerechnet wurde, würden mehr Tests vermutlich schnell zum Überschreiten der Grenze führen (obwohl in Wirklichkeit kein einziger Mensch mehr krank wäre als vor dem Screening). Werden dann im Kreis wieder Schulen, Sportstätten und Geschäfte vorübergehend geschlossen, muss befürchtet werden, dass die Bewohner zum Einkaufen oder in der Freizeit in die noch offenen Nachbarkreise fahren und so das Virus großflächiger verbreiten, als ohne die neuen Eindämmungsmaßnahmen. Überdies zwingt etwa ein Ausbruch in einer Firmen-Massenunterkunft, einem Wohn- oder Altenheim, möglicherweise selbst dann zu einem Shutdown im ganzen Kreis oder einer ganzen Stadt, wenn die Angesteckten schon weitestgehend von der restlichen Bevölkerung isoliert gelebt haben und die wenigen Kontakte nach außen überwacht bzw. in Quarantäne geschickt werden könnten, ohne dass Gefahr für die ganze Bevölkerung besteht. Angesichts heute leider oft ausgelebtem dumpfen Wutbürgertums müssten gar Hass-Ausbrüche gegen die Heimbewohner befürchtet werden. [Tatsächlich sollten Verbesserungen der Standards und der Wohnsituation in allen Heimen den Bewohnern ein menschenwürdigeres Leben ermöglichen und würden gleichzeitig das Übertragungsrisiko verringern.]

Die Wissenschaft - ob Virologie oder hier die Mathematik - kann Zusammenhänge erkennen und (Natur-)Gesetzmäßigkeiten heraus stellen, vielleicht auch die Folgen verschiedener Vorgehensweisen rational abschätzen. Politische Entscheidungen sollten diese Erkenntnisse berücksichtigen und nutzen, werden aber nicht von der Wissenschaft getroffen. Und leider kann die Wissenschaft keinen einfachen (Aus-)Weg herbei zaubern, wenn ein solcher nicht existiert.

Die ab Mitte September/Anfang Oktober 2020 wieder deutlich erhöhten Neuinfektionszahlen (am 7.11.2020 an einem Tag über 23.000 gemeldete Neuinfizierte in Deutschland!) zeigten leider: Nach über eine halben Jahr Corona in Deutschland trat nicht nur Gewöhnung an die bzw. Abstumpfung gegenüber der Gefahr ein; vielmehr wurde der Wunsch nach der früheren Normalität und mehr Kontakten bei manchen so übermächtig und führte trotz nach wie vor vorhandenem bzw. sogar inzwischen auf bisher unbekannte Höhen angestiegenem Risiko zu nachlässigerer Einhaltung der Schutzmaßnahmen. Viele hielten die gebotenen Abstände nicht ein und wollen wieder nahe mit- bzw. zwischenmenschliche Kontakte. Der Beginn der kalten Jahreszeit mit mehr Aufenthalt in geschlossenen Räumen, in denen sich die Aerosole leichter ausbreiten bzw. halten und wieder eingeatmet werden, tut ein Übriges. Insofern war die Verschärfung der bundesweit angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen für den November 2020 unvermeidlich und eigentlich schon früher nötig. Dass man nicht allein auf die Vernunft Aller vertrauen kann, zeigten die schnell noch in großen Gruppen begangenen Restaurantbesuche und vielen privaten Parties am Wochenende vom 30.10. bis 1.11.2020, "solange man noch darf", bevor am 2.11.2020 der so genannte Teil-Lockdown in Kraft trat. Dessen positive Auswirkungen können sich allerdings erst ab etwa dem 20.11. in den Messzahlen niederschlagen. Insofern zeugt es auch eher vom Unverstand der Politikerin, wenn z.B. die nordrhein-westfälische Schulministerin in der letzten Oktoberwoche 2020 beruhigend verkündet, in den Schulen gebe es nach den aktuellen Werten praktisch keinerlei Infektionsgeschehen. Kunststück: die 14-tägigen Herbstferien waren erst wenige Tage vorbei und eventuelle Ansteckungen in den Schulen nach Wiederbeginn des Unterrichts konnten wegen der Inkubationszeit und Meldeverzögerung noch gar nicht erfasst sein. Insgesamt gab es auch im Herbst 2020 wenig Anlass zu Optimismus. Und die Entwicklung im Winter 2020/2021 bestätigt leider meine hier im Oktober 2020 geäußerte Meinung.

Ende Februar/Anfang März 2021 war ich dann sehr erstaunt, dass immer noch so wenige gesicherte Erkenntnisse über die verschiedenen Ansteckungswege vorlagen, obwohl die Pandemie bei uns schon über 1 Jahr wütete und hätte untersucht werden können. Jedenfalls waren keine Ergebnisse bekannt. Während einige Gesundheitsämter sicher gute Arbeit leisteten, waren die meisten Gesundheitsämter mit der Rückverfolgung heillos überfordert und/oder wollten oder konnten Zusammenhänge nicht aufspüren. Dabei gab und gibt es durchaus weitere Möglichkeiten, wie etwa ein Artikel auf web.de (vom 10.2.2021, auch im April 2023 noch erreichbar) beweist, der einfach durch Inzidenz-Vergleiche zeigt, dass sich Teilnehmer an Quer-"denker"-Demos verstärkt anstecken und in ihren Heimatkreisen die Fallzahlen erhöhen. Auch las man, dass in Kläranlagen in den gesammelten Abwässern die Viruslast festgestellt werden könnte, und man so schnell und zuverlässig erkennt, ob es im Einzugsgebiet viele oder wenige Ansteckende gibt. Aber man hört nichts davon, dass diese Möglichkeiten auch wirklich eingesetzt würden (Tatsächlich wurde die Idee, als sie ein Jahr später nochmal in die Medien gelangt, als toll und zukunftsweisend bezeichnet, aber wieder nicht umgesetzt). Als Physiker bin ich enttäuscht, dass die Ende Februar/Anfang März 2021 eingeräumten Lockerungen nicht für naheliegende Versuche genutzt wurden: Statt bundesweit gleichzeitig ab 22.2.2021 wieder Kitas, Grundschulen und Abschlussklassen für Präsenz-Unterricht zu öffnen und eine Woche später die Frisöre und Gartencenter, wäre ein geteiltes Vorgehen viel sinnvoller: In einigen Ländern oder großen Gebieten werden nur die Kitas geöffnet, in anderen nur die Grundschulen, in dritten nur die Abschlussklassen, in vierten nur die Frisöre, in anderen Gebieten nur die Textil- und Möbel-Geschäfte, usw. Dann hätte man in drei, höchstens vier Wochen wissen können, welche Kontaktgelegenheiten ein höheres Ansteckungsrisiko tragen (und die Vorschriften dort verschärfen) und was man endlich wieder weitgehend bedenkenlos öffnen könnte. Mitte März 2021 hätte man Bescheid gewusst. Diese Chance wurde vertan. Im Wochen- oder zwei Wochenabstand werden überall die gleichen, mehrfachen Lockerungen zugelassen, und beim zu erwartenden Anstieg der Inzidenzen weiß man dann wieder und immer noch nicht, was der/die Hauptauslöser ist/sind. Auch wenn man den Eltern und Kindern in den meisten Gebieten vielleicht nicht unbedingt zumuten will, noch länger auf Präsenzunterricht zu warten, während in einigen anderen Gebieten die Schule testweise schon beginnt -- diese Tests wären in kurzer Zeit (nämlich Mitte März 2021!) abgeschlossen. Statt dessen werden wir weiter ahnungslos bleiben und vermutlich viel länger weitestgehende Einschränkungen auch eigentlich harmloser Kontaktmöglichkeiten erdulden müssen und insgesamt viel stärkere persönliche und wirtschaftliche Auswirkungen spüren, viele davon unnötigerweise. Der Vorteil der flächenmäßig getrennten Tests wäre meiner Meinung nach daher durchaus vermittelbar, auch wenn mancher den frischen Haarschnitt im eigenen Gebiet vielleicht gerne gegen Präsenzunterricht oder Zoobesuche getauscht hätte. Entsprechender Tourismus müsste allerdings unterbunden werden (Leider gibt's in der Überwachung der verordneten Maßnahmen immer noch erhebliche Defizite. Nichtmal Quarantäne-Anordnungen und Einreisesperren werden ordentlich überwacht; angeblich fehlende gesetzliche Grundlagen wurden seit über einem Jahr nicht mal in Angriff genommen). Jedenfalls hätte man mit meinen Versuchen verschiedener Lockerungen in getrennten Gebieten bis Mitte/Ende März Bescheid gewusst und anschließend in vielen Bereichen Lockerungen erwarten dürfen, statt vermutlich wieder allgemeine und lange Verschärfungen hinnehmen zu müssen. (Am 3./4. März 2021 wurde der allgemeine Lockdown gerade mit einem ebenfalls wieder bundesweiten Stufenplan bis zum 28.3.2021 verlängert. - Eine weitere Verlängerung bis zum 18.4. und wieder eine Verschärfung kam kurz vor Ostern 2021 ins Gespräch!

Nachtrag vom Juni 2021: Noch am 12.5.2021 beklagen Wissenschaftler die nach wie vor viel zu dürftige Datenlage im 'Spektrum der Wissenschaft' bzw. einem als kostenlose pdf-Datei von dieser Seite herunter ladbaren Artikel, ohne dass Besserung in Sicht ist. Entsprechend wundert sich auch der Stern Anfang Juli 2021 über die immer noch unzureichende Datenlage und bemängelt, die Deutschen stünden sich selbst im Weg.

Ganz zu schweigen davon, dass sich manche Menschen und/oder Bevölkerungsgruppen zunehmend weniger an die Beschränkungen halten und damit in die (noch) große Mehrheit, die weiterhin sehr vorsichtig ist, immer wieder Ansteckungen hinein tragen und die Erfolge der Beschränkungen so vernichten und damit letztlich den Lockdown für alle unerträglich verlängern. Die z.T. als chaotisch wahrgenommene Impf-Organisation und -Situation mindert außerdem das Vertrauen in die Politik und schmälert dadurch auch das Befolgen eigentlich sinnvoller Anordnungen. Einige engagierte (Ober-)Bürgermeister, die in ihren Städten durch breite Aufklärung und besondere Maßnahmen die Ansteckungen deutlich unter den Durchschnitt drücken konnten, berichten außerdem, dass durch manche erzwungene Shutdown-Maßnahmen die Fallzahlen stiegen -- etwa, weil einige Frisöre heimlich Hausbesuche machten und in schlecht gelüfteten Kellern dichtgedrängt wartende Kunden bearbeiten, statt in ihren geöffneten Geschäften kontrollierbar die Hygieneregeln einzuhalten.

Zum Glück sind die Fallzahlen offenbar wegen des Sommerwetters ab Mitte Juni 2021 deutlich gefallen, so dass umfangreiche Lockerungen möglich wurden. Darüber sollten aber jetzt weder die Vorsicht und noch die Vorbereitungen für den kommenden Herbst bzw. Winter nicht vergessen werden, wenn das Wetter nicht mehr hilft!



Ganz wichtig und entscheidend aber: Seit Anfang 2021 standen und stehen (wenn auch am Anfang nicht sofort für alle Interessenten) Impfstoffe zu Verfügung, sodass ab Frühsommer 2021 eine breite Immunisierung der Bevölkerung möglich wurde, ohne dass erst die Krankheit durchlitten und überlebt werden musste. Auch wenn - wie sich zeigte - (Doppelt-)Geimpfte nicht sicher vor Ansteckung geschützt sind, ist ihr Krankheitsverlauf viel harmloser und es kommt sehr viel seltener zu Krankenhauseinweisungen und zu praktisch keinerlei Todesfällen mehr. Außerdem bestätigte sich die von einigen Infektionsbiologen schon 2020 geäußerte Ansicht, dass auch der Covid-Erreger eine Evolution durchmachen wird: Mutanten, die ihren Wirt schwer krank machen oder gar töten, können sich (etwa aus der Intensivstation oder dem Sarg) schlecht weiter verbreiten. Mutanten, die den Menschen weniger beeinträchtigen, sodass diese weiter herumlaufen und vielen Mitmenschen begegnen, können sich schneller und viel weiter ausbreiten, werden also im Laufe der Zeit überwiegen. So entwickelten sich auch die Covid-Varianten zu einer zwar etwas ansteckenderen, aber weniger gefährlichen Art. Zusammen mit den wichtigen Impfungen führten in 2022 selbst Inzidenzen von mehreren Tausend nicht zum Zusammenbruch des Gesundheitssystems, während der Urtyp in der ungeimpften Anfangszeit schon bei Inzidenzen um 50 einen massiven Anstieg der Todesfälle verursacht hatte und für übervolle Krankenhäuser sorgte.



Aber zurück zum Thema bzw. der Überschrift dieses Kapitels "Reproduktionszahl R und Sieben-Tage-Inzidenz": Neben der Reproduktionszahl R wird seit Sommer 2021 die oben schon erwähnte 7-Tage-Inzidenz veröffentlicht. Dabei handelt es sich um die Summe der Neuinfektionen in einem Kreis oder einer Stadt, dividiert durch die Einwohnerzahl in 100.000. Wurden beispielsweise in Düsseldorf in den letzten 7 Tagen am Mittwoch 193 Infektionen, am Donnerstag 211, am Freitag 228, am Samstag 151, am Sonntag 104, am Montag 125 und am Dienstag 167 Neuansteckungen amtlich erfasst, so wurden in diesen sieben Tagen 1179 Personen neu infiziert. Bei etwa 622 000 Einwohnern bzw. 6,22 * 100.000 Einwohnern ergibt das eine Sieben-Tage-Inzidenz von (193+211+228+151+104+125+167) / 6,22 = 1179 / 6,22 = 189,5. Dieser Wert liegt weit über der Marke für die Vorwarnstufe (35) und ist fast viermal so hoch wie die im Sommer festgesetzte Risiko-Grenze 50. Dabei kann wegen der verschiedenen betrachten Zeiträume die Inzidenz steigen, obwohl R zurück geht und umgekehrt. Denn oft wird die Reproduktionszahl R mit einem 4-Tages-Mittel berechnet (statt für einen 7-Tage-Zeitraum wie die Inzidenz). 4-Tages-Werte sind aber für die systembedingten Schwankungen im Wochenverlauf besonders anfällig und haben eigentlich kaum Aussagekraft (vgl. z.B. auch den Bericht von Radio Brandenburg-Berlin zur R-Ampel in der Bundeshauptstadt vom Oktober 2020; im April 2023 noch verfügbar).

Die veröffentlichten Zahlen (noch dazu im Radio, Fernsehen, Zeitungen und in der Corona-Warn-App manchmal untereschiedlich) erschütterte auch den Glauben mancher Mathematikerin und manches Mathematikers an die Aussagekraft der Kennwerte. Da Gesundheitsämter oft damit überfordert waren, wirklich alle positiven Testergebnisse des Vortags immer vollständig ans RKI zu melden, trafen manche Ergebnisse verzögert ein oder wurden bei der ans RKI übermittelten Addition noch nicht berücksichtigt. Fällt ein solcher Fehler auf, werden die richtigen Zahlen noch 1 bis 3 Tage später nachgemeldet. Das RKI korrigiert dann die Inzidenz, nicht aber nachträglich den einmal veröffentlichten (und letztlich zu niedrigen) Tageswert der Neuinfektionen. Dadurch kommt es immer wieder zu scheinbar paradoxen Situationen:

Für die Anzahl der Neuinfektionen ('Differenz zum Vortag') gilt der Eingang beim RKI, der Fälle mit unterschiedlichem Meldedatum umfasst. "Das Meldedatum ist das Datum, an dem das lokale Gesundheitsamt Kenntnis über den Fall erlangt und ihn elektronisch erfasst. Die Gesundheitsämter übermitteln die Daten an die Landesbehörde, von dort werden sie ans RKI übermittelt". Bei der Berechnung der 7-Tage-Inzidenz gilt hingegen nicht das Eingangsdatum beim RKI, sondern das Meldedatum beim jeweiligen Gesundheitsamt. Das wurde mir auf meine Anfrage hin am 25.4.2021 vom RKI bestätigt und auf die Erläuterungen auf der Seite www.rki.de/covid-19-fallzahlen hingewiesen. Weiter wurde mitgeteilt, dass man im Dashboard auf http://corona.rki.de ganz unten rechts auf 'Fälle/Tag (Erkrankung)' klicken und dann 'Fälle/Tag (Meldung)' wählen kann. So kann man "sehen, wie die dem RKI am Vortag bis 24 Uhr übermittelten Fälle nach Meldedatum verteilt werden. Die Zahl der Fälle in den letzten 7 Tagen und die 7-Tage-Inzidenz kann man für jeden Landkreis und [jedes] Bundesland historisch nachvollziehen: www.rki.de/inzidenzen". Dort kann man jeden Tage ein neues Tabellenkalkulations-Dokument mit mehreren Tabellenblättern herunter laden (oder sofort öffnen). Aufgeführt sind die tagesaktuellen Inzidenzen und die Einzelwerte der jeweils letzten sieben Tage für alle Landkreise (LK) bzw. zusammengefasst für die 16 deutschen Bundesländer (BL), sodass man grundsätzlich selber nachrechnen könnte. Im April 2023 waren die angegeben RKI-Seiten zwar noch (in aktualisierter Form) verfügbar. Da der Meldedienst aber Ende April 2023 beendet wird, werden Sie die Seiten vielleicht schon bald / jetzt nicht mehr aufrufen können!

Anfang Juni 2021 zogen sich Verschwörungstheoretiker daran hoch, dass für die Anwendung der bundeseinheitlichen Corona-Bremse vielleicht nicht die 7-Tages-Inzidenz (auch verständlicher als 'COVID-19-Fälle der letzten 7 Tage pro 1000.000 Einwohner' bezeichnet) nach Erkrankungsdatum, sondern doch nach dem Melde- bzw. Eingangsdatum beim RKI herangezogen werden soll. Schnell machte die völlig abwegige Behauptung die Runde, nur durch diesen Statistik- bzw. Rechentrick wären die Fallzahlen seit Ende Mai so stark gesunken (vgl. etwa web.de-Magazin vom 10.6.2021). Tatsächlich kann es zwar zu geringfügigen Verschiebungen kommen; im mehrtägigen Mittel sind beide Werte natürlich gleich hoch! Und das erfreuliche Absinken der Fallzahlen hat mit dem Sommer und nicht mit vermeintlichen Rechentricks zu tun!
Allgemein sind nämlich beide 7-Tages- Inzidenz-Werte sehr verlässlich und viel aussagekräftiger als die gelegentlich zu niedrigen Angaben der Neuinfektionen nur für den letzten Tag.

Kleinere Abweichungen zwischen den vom RKI und den lokal veröffentlichten Inzidenz-Werten gab es außerdem, weil Städte oder Kreise mit Bevölkerungswachstum gerne die für sie günstigeren höheren letzten geschätzten Einwohnerzahlen verwendeten (und an die lokalen Rundfunkanstalten meldeten), während das RKI die oft mehrere Jahre alte letzte amtliche Einwohnerzahl nahm...




zum Seitenanfang / zum Seitenende


Angewandte Mathe-Aufgaben zur Corona-Pandemie:
Weit über 40 Tote durch ein Fußballspiel,
Fälle durch Quer-'denker'-Demos


In den vorstehenden 5 Kapiteln zu Corona-Themen wurden bereits viele mathematische Verfahren und Rechenwege vorgestellt. Die Besucherinnen und Besucher meiner Webseite sollen angeregt werden, mit jeweils aktuellen und /oder ihren lokalen Zahlen diese oder ähnliche Rechnungen selbst durchzuführen und die in Medien nicht immer vollständig oder korrekt wiedergegebenen Ergebnisse persönlich zu überprüfen, um sich ein eigenes, verlässlicheres Bild der Lage zu machen. Lehrerinnen und Lehrer möchte ich ermutigen, entsprechende Inhalte und Überlegungen in ihrem Mathematik-Unterricht aufzugreifen und aktuelle Ereignisse stets in den Unterricht einzubeziehen. Die für die Erarbeitung der Sachzusammenhänge zusätzlich aufzubringende Zeit wird durch die erreichte Motivation und den besseren Lernerfolg mehr als wett gemacht! [Auf meiner Mathematik-Hauptseite finden Sie in den Kapiteln über Anwendungsbezug und Realitätsnähe in der Mathematik (bzw. eigentlich besser: im Mathematik-Unterricht) und bei der Vorstellung der MUED mehr über meine hier vertretene und jahrzehntelang erfolgreich praktizierte Auffassung].

Die erste Coronawelle im Frühjahr 2020 hatte im März 2020 zu den ersten Kontaktbeschränkungen bzw. zum Lockdown geführt. Trotzdem hatte am 11. März 2020 direkt vor Inkrafttreten des schon angekündigten Verbots von Großveranstaltungen noch das Champions-League-Spiel zwischen dem FC Liverpool und Atletico Madrid vor 52 000 Zuschauern im vollbesetzten Liverpooler Stadion ohne Masken, Abstände oder irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen stattgefunden. Ende Mai 2020 wurde dann berichtet, dass Analysen mindestes 41 Corona-Todesfälle und eine Vielzahl von Erkrankungen auf dieses Ereignis zurückführen - auch jetzt (im April 2023) noch nachzulesen z.B. im Spiegel , in der Welt oder auf t-online .

Antonius Warmeling, in Fachkreisen seit Langem für seine guten anwendungsorientierten Unterrichtsvorschläge bekannt, hatte das Thema für den Mathematik-Unterricht aufgegriffen und ausgearbeitet, damit Schülerinnen und Schüler die Analyse im Unterricht selbst durchführen bzw. nachvollziehen können. Leider wurde seine Arbeit erst ein Jahr nach dem Spiel und 10 Monate nach der Analyse der Öffentlichkeit zugänglich: Der Artikel ist in der Ende März 2021 ausgelieferten Papierausgabe der Zeitschrift Casio Forum, Ausgabe 1/2021, ab Seite 6 nachzulesen. Das Heft ist aber auch pdf-Ausgabe und auch noch im April 2023 wie alle früheren Ausgaben des Casio Forums über die Casio-Material-Datenbank abrufbar (die Ergebnisliste ist leider nicht chronologisch, aber die Suche nach "1/2021" im Browser führt zum Ziel). Da die Zeitschrift für Lehrer nur zweimal im Jahr vom bekannten Taschenrechner-Hersteller heraus gegeben wird, war ein zeitnahes Erscheinen des Artikels wohl nicht möglich.

Jedenfalls kann man mit dem Casio-Classpad durch Auswertung und Vergleich von Daten dreier Krankenhäuser (in Liverpool und Manchester) statistisch mindestens 41 Tote auf Ansteckungen beim Fußballspiel zurückführen -- wobei die Rechnungen natürlich auch auf CAS-Rechnern anderer Fabrikate oder mit einem Tabellenkalkulationsprogramm auf dem Tablet, Laptop oder PC durchgeführt werden können. Die verwendeten Fallzahlen sind inzwischen öffentlich zugänglich; Quellen werden im Artikel genannt. Die Rechnungen zeigen, dass die Zahl 41 eher vorsichtig angesetzt ist, weil sie sich allein auf die lokalen Fans bezieht. Die aus anderen Landesteilen Englands oder gar die 12 000 aus Spanien angereisten Fans wurden gar nicht einbezogen, obwohl es unter ihnen sicher auch viele Infizierte und später Todesfälle gegeben hat. Und natürlich haben viele infizierte Stadionbesucher das Corona-Virus zu Hause weiter verbreitet und sind so für weitere, hier nicht erfasste Infektionsketten, Kranke und Tote verantwortlich.

Wer ein anderes Beispiel (das, als ich es 2021 hier genannt habe, wirklich aktuell war) prüfen bzw. von/mit seinen Schülerinnen und Schülern untersuchen lassen will, könnte versuchen, die Ansteckungen und dadurch induzierten Todesfälle zu verfolgen, die bei den "Anti-Coronaschutz- & Quer'denker'"-Demos am 20.3.2021 in Kassel (20.000 Teilnehmer) oder gerade am Ostersamstag, 3.4.2021 in Stuttgart-Bad Cannstatt (10.000 bis 15.000 Teilnehmer) verursacht wurden (Berichte z.B. in der Zeit oder der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeine und der Frankfurter Rundschau ). Ein paar Wochen später - so habe ich damals prophezeit - wird man signifikante Erhöhungen der Fallzahlen in den Wohngebieten der Demonstranten finden. Die Schwierigkeit besteht darin, die Herkunft der Teilnehmer zu ermitteln. Ob der Veranstalter auf Anfrage auskunftsfreudig ist? Ein Versuch ist es wert. Im Artikel auf web.de , den ich schon im vorigen Kapitel angeführt hatte, wurde über eine Analyse des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung berichtet, wo man zusammen mit der Humboldt-Universität Berlin zur Herkunftsbestimmung die gecharterten Busse verfolgt hat: Zwei "Quer-'Denker'"-Demos im November 2020 haben danach zwischen 16.000 und 21.000 zusätzliche Covid-19-Infektionen auf dem Gewissen! Von solchen Veranstaltungen gehen unbestreitbar massive Gefahren aus, und es ist mir trotz des hohen Guts des Demonstrationsrechts unverständlich, dass man in Zeiten von Lockdown und scharfen Kontaktbeschränkungen wegen der dritten Welle solche Zusammenrottungen genehmigt bzw. genehmigen muss, die Einhaltung der Regeln aber nicht durchsetzt. In Frisörläden müssen Listen mit den Kontaktdaten der Kunden geführt werden. Eine überwachte Vorab-Erfassung der Namen und Adressen aller Demo-Teilnehmer für die Kontaktnachverfolgung erscheint ebenso überfällig wie eine konsequente, sofortige Bestrafung aller Masken- und Abstandsverweigerer.




.. und viele Erkrankte durch die Fußball-Europa-Meisterschaft
(EM bzw. UEFA Euro 2020/21)


Die auf die Zeit vom 11. Juni bis 11. Juli 2021 verschobene Fußball-EM (die eigentlich schon 2020 hätte stattfinden sollen, und deshalb noch unter UEFA Euro 2020 firmiert) bewirkt bereits in der Gruppenphase einen signifikanten Anstieg der Corona-Zahlen: Allein in Schottland werden knapp 2000 Fälle auf ein Fußballspiel Schottland gegen England am 18.6.21 im nur zu etwa einem Drittel gefüllten Londoner Wembley-Stadion zurück geführt; finnische Fans brachten von zwei Fußballspielen ihrer Mannschaft im russischen St. Petersburg offenbar mindestens 436 Ansteckungen zurück (vgl. FAZ oder Bericht auf t-online ). Nicht gezählt sind jeweils die sicher noch mehr Krankheitsfälle an den Stadionorten bzw. bei den Fans der gegnerischen Mannschaften sowie die vielen Ansteckungen europaweit beim gemeinsamen Angucken von Fernsehübertragungen, lokalen Siegesfeiern usw.

Die beiden Halbfinalspiele (am 6. und 7. Juli 2021) und das Endspiel am 11. Juli 2021 im dann mit jeweils ca. 60 000 Zuschauerinnen und Zuschauern nahezu vollbesetzten Wembelystadion lassen noch viel Schlimmeres erwarten. Dass die UEFA verantwortliche Politiker z.B. mit Androhung der Verlegung der letzten Spiele von England nach Ungarn erpressen konnte, in London eine so großes Publikum zuzulassen, hat weltweit viel Kritik ausgelöst, aber am unverantwortlichen Plan nichts geändert, obwohl die Inzidenz in England bei über 250 liegt - und Boris Johnson trotzdem am 19.7. fast alle Beschränkungen aufheben will. Ende Juli wird man die Folgen sehen.

Da wird erleichtert wahrgenommen, dass die ebenfalls auf diesen Sommer verschobenen Olympischen Spiele wohl ganz ohne Publikum stattfinden werden, um eine unnötige Befeuerung der Pandemie zu verhindern.




zum Seitenanfang / zum Seitenende


MUED-Materialien 2021 zu Corona


Auch die MUED hatte 2021 für alle Lehrerinnen und Lehrer -- auch für Nicht-Mitglieder -- in der Corona-Krise einige aktuelle Unterrichts-Materialien kostenlos zur Verfügung gestellt. Seit Ende April 2021 wurde das Thema "Schnell- bzw. Selbsttests und mögliche Fehler" in mehreren Aufgabenblättern behandelt und für verschiedene Jahrgangsstufen (von Grundschule bis Qualifikationsphase) aufbereitet. Außerdem hatten sich schon mehrere 'Arbeitsblätter des Monats' mit Rechnungen rund um Corona befasst. Inzwischen sind die Aufgaben wieder von der Webseite verschwunden und können mit vielen weiteren umfangreichen Unterrichtseinheiten nur noch über https://www.mued.de/unterrichtsmaterial bezogen werden (was allerdings die Vereinsmitgliedschaft voraussetzt)






zum Seitenanfang / zum Seitenende


Corona im Jahr 2023


Auch wenn dies anfangs nur von Wenigen vermutet wurde, hatte uns Corona drei Jahre lang im Griff. Dabei hatten schon meine oben gezeigten und herunter ladbaren Tabellenblätter im April 2020 erkennen lassen, dass die dringend erforderliche Senkung der Ansteckungsrate zwangsläufig zu einer Verlängerung der Pandemie führen muss.

Die letzte größere Infektionswelle war in Deutschland die Herbstwelle 2022. Die befürchtete Winterwelle 2022/2023 blieb weitgehend aus. Natürlich erkranken immer noch Menschen an Corona (die 7-Tage-Inzidenzen liegen Ende April 2023 um die 10 (pro 100.000 Einwohner), sodass sich täglich bundesweit noch ein bis zwei Tausend Menschen anstecken und im Moment fast 40.000 Personen krank sind). Gelegentlich stirbt auch jemand deswegen (offenbar deutlich weniger als 10 pro Tag, während 2021/2022 noch täglich ein bis zwei Airbus-Ladungen, also viel Hundert Menschen, an Corona verstarben). Die Zahlen sind inzwischen nicht mehr schlimmer als bei vielen anderen Krankheiten und Lebensrisiken. Seit über einem Jahr sind etwa 76 % der Bevölkerung doppelt geimpft ("grundimmunisiert"), gut 60 % der Gesamtbevölkerung haben sogar Booster-, also eine oder mehrere weitere Auffrischungs-Impfungen erhalten. Darüber hinaus haben ein erheblicher Teil der Menschen bei uns eine Corona-Infektion überstanden (bei Geimpften gab es fast immer einen sehr harmlosen Verlauf, oft wurde die Krankheit gar nicht bemerkt). Insofern ist der schon 2020 als nötig vermutete Schutz von mindestens 70 bis 80% der Gesamtbevölkerung zur Erlangung der Herdenimmunität erreicht. Corona gilt jetzt nicht mehr als Pandemie, sondern nur noch als Endemie. Schon seit Februar 2023 verschwanden die kostenlosen Bürger-Schnelltests; restliche Einschränkungen wurden zurück genommen. Ostern 2023 schließlich fiel auch die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Arzt und in Krankenhäusern (wo sie zuletzt auch nur noch für Besucher galt), ohne dass es zu einem nennenswerten Wiederanstieg der Zahlen gekommen ist. Corona ist zwar nicht weg (verschwinden wird es nicht mehr), gilt aber jetzt als 'normal'.

Die Pandemie verlief in Wellen. Im Sommer gab es - wie auch bei Schnupfen oder Grippe - weniger Covid-Erkrankungen als im Herbst und Winter. Und neben dem großen Schwankungen gab es immer wieder aufgeprägte kleinere Auf und Abs des Infektionsgeschehens. Auch in meinen obigen Ausführungen -- im April 2023 ja zusammengestellt aus Texten, die ich ab März 2020 nach und nach während der Corona-Pandemie geschrieben und veröffentlicht hatte -- findet man bei genauem Lesen Hinweise darauf, dass viele Politiker schon nach den ersten Wochen jede vorübergehende Abflachung der Ansteckungskurve zum Anlass nahmen, das baldige Ende der Pandemie vorherzusagen und populistisch die Aufhebung von Schutzmaßnahmen zu fordern oder sogar zu beschließen (die dann meist kurz darauf wider stark verschärft werden mussten). Konkurrenz zwischen den Bundesländern schadete zusätzlich. Dabei hätte man zu den Zeitpunkten wissen können, dass erst ein geringer Teil der Bevölkerung erkrankt oder immunisiert war, und deshalb eine Andauern der Pandemie zu erwarten war. Aber der Blick auf Wachstumskurven, Interpretieren allgemein zugänglicher Daten, Nachdenken oder wenigstens das Hören auf Wissenschaftler gehört offenbar nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen mancher Volks-, aber auch der meisten Medienvertreter, Talkshow-Moderator(inn)en und -Gäste. Schade.

So werden auch heute (2023) offensichtliche Mängel, die bereits in den drei Jahren seit 2020 nicht behoben wurden, weiter nicht abgestellt: Die Gesundheitsämter arbeiten weiterhin ineffektiv, es gibt keine einfache digitale Erfassung, es gibt kaum einen Lerneffekt oder Vorsorge gegen einen neuen, anderen Virus, der eventuell auftreten könnte. Politiker(innen) stellen sich zwar jetzt hin und prangern Übertreibungen der ersten Zeit an: Die Ansteckungsgefahr im Freien war wohl geringer als befürchtet; Spielplätze hätten nicht geschlossen werden müssen, und von Spaziergängen auch zu mehreren hätte wohl nicht abgeraten werden müssen. Auch die strikten Besuchsverbote in Alten- und Pflegeheimen und in Krankenhäusern hätten die Ansteckung vielleicht nur wenig verringert, waren aber äußerst inhuman für die Bewohner und Patienten und hätten (insbesondere bei rechtzeitiger Maskenpflicht) vermieden werden müssen, usw. Aber in der ersten Zeit wusste man es nicht besser und angesichts der erschreckenden Ereignisse in Bergamo und anderen frühen Hotspots weltweit mit extrem gehäuften Todesfällen (wo die Leichen gar nicht richtig begraben werden konnten) ist große Vorsicht, die erst im Nachhinein als übergroß erscheint, nicht zu tadeln, sondern Pflicht. Heutiges Gejammer darüber ist keine Aufarbeitung, zumal das Lernen aus den Fehlern, eine wirklich inhaltliche Forschung und die Verbesserung des Gesundheitssystems weiterhin unterbleiben. Die Rolle von Schulen und Kitas ist ebenfalls nicht wirklich erforscht, und soll wohl auch nicht genauer untersucht werden: Da man sie künftig nicht mehr schließen will, kämen echte Erkenntnisse eventuell ungelegen. Und weil inzwischen / im Moment ja alles ruhig ist, fühlen sich Verantwortliche vom Handlungsdruck befreit und tun offenbar weiter lieber nichts, als sich etwa durch Änderungen gewohnter Strukturen und Abläufe bei Manchen vorübergehend unbeliebt zu machen.

Auch mit den unsäglichen Quer-'denkern' und Impfgegnern will sich offenbar niemand mehr auseinander setzen -- selbst wenn Kinderärztinnen und -ärzte berichten, dass ein kleiner, aber gewachsener Teil der Eltern ihre Kinder nach Corona auch nicht mehr gegen die üblichen Kinderkrankheiten impfen lassen will. Verrückt.




zum Seitenanfang / zum Seitenende




zurück zur Mathematik-Hauptseite


zum Anfang dieser Seite
Willkommen/Übersicht  -  Was ist neu?  -  Software  -  Mathematik  -  Physik  -  Informatik  -   Schule: Lessing-Gymnasium und -Berufskolleg  -  Fotovoltaik  -  & mehr  -  Kontakt: e-Mail, Impressum  -  Grußkarten, site map, Download und Suche

Diese Seite ist Teil des Webangebots http://www.r-krell.de